Ein Gespräch mit Dr. Gian Marco Felice, Mitglied des Vorstands der ProCredit Holding und verantwortlich unter anderem für den Bereich Nachhaltigkeit, über den Klimawandel und die Rolle von ProCredit als nachhaltige Bank.
3 Fragen und Antworten
1. Gian Marco, viele Menschen sehen den Klimawandel immer noch als ein weit entferntes Problem. Sie beginnen aber seine Auswirkungen durch Dinge wie Hitze und Dürren zu spüren. Was kann ProCredit tun, um zur Bewältigung dieser Herausforderung beizutragen?
Zunächst einmal kann ProCredit mit gutem Beispiel vorangehen. Wie so oft gilt auch hier, dass man sich zunächst auf interne Verbesserungen konzentrieren muss, um eine positive Wirkung nach außen zu erzielen. Wir müssen konsequent und schlüssig in unseren Ideen sein.
ProCredit hat vor einigen Jahren damit begonnen, ein internes Umweltmanagementsystem einzuführen, um seinen CO2-Fußabdruck (Scope 1- und Scope 2-Emissionen) und andere externe Effekte wie die Verwendung von Plastik zu verringern. Das Unternehmen legt seine Ergebnisse auch der Öffentlichkeit gegenüber transparent offen.
Nachdem wir uns mit unseren eigenen Umweltauswirkungen befasst haben, können wir nun unseren Kund*innen dabei helfen, ihr eigenes Verhalten zu verbessern. Zu diesem Zweck fördern wir grüne Investitionen wie erneuerbare Energien, Energieeffizienz und nachhaltige Landwirtschaft. Diese Investitionen verringern nicht nur den ökologischen Fußabdruck, sondern können auch neue Industrien und Unternehmen fördern.
In Südost- und Osteuropa zeigen sie zudem, dass ein Wandel möglich ist. Entscheidend ist, die Klimakrise als Chance zu begreifen, nicht nur als Problem.
2. Viele Branchen kommen nicht schnell genug voran, um die Wirtschaft zu verändern. Was können die Banken tun?
Bei den derzeitigen Trends sind wir weit davon entfernt, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wie es das Pariser Klimaabkommen vorsieht. Wissenschaftliche Daten zeigen, dass wir eher die 2-Grad-Marke überschreiten und sogar 2,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen werden, in einigen Szenarien vielleicht sogar 3 Grad. Es sei denn wir beschleunigen die Energiewende und das ist das, was wir bei ProCredit tun wollen: nicht verzweifeln, sondern weitermachen. Wir haben uns verpflichtet, auf der Grundlage der wissenschaftlichen Ziele bis 2050 einen Netto-Null-Pfad zur Kohlenstoffneutralität zu erreichen.
Der Bankensektor steht noch ganz am Anfang dieser Reise. Es gibt viele Unwägbarkeiten, viele Fragen, die auf dem Weg beantwortet werden müssen. Dennoch ist die einzige Möglichkeit, trotz aller Unwägbarkeiten ans Ziel zu kommen, sich auf den Weg zu machen und zwar mit Überzeugung.
3. Wie stellen Sie sich das nachhaltige Bankwesen in der Zukunft vor und welche Schritte müssen jetzt unternommen werden, um diese Vision zu verwirklichen?
Das Ziel ist „Netto-Null“ für die Umwelt. Große Banken haben bereits Methoden zur Reduzierung ihrer eigenen Emissionen (Scope 1 und 2) eingeführt, und kleinere Banken werden folgen. Der Elefant im Raum sind jedoch die so genannten Scope-3-Emissionen. Dabei handelt es sich um die Treibhausgasemissionen, die von unseren Kund*innen erzeugt werden und indirekt mit unseren Kreditaktivitäten zusammenhängen. Sie machen den größten Teil der Gesamtemissionen aus, die den Finanzinstituten zugeschrieben werden können, und sie sind am schwierigsten zu reduzieren.
Die Finanzinstitute verfolgen unterschiedliche Strategien zur Reduzierung der Scope-3-Emissionen. Die meisten Banken beginnen mit den größten Unternehmen in ihrem Kreditportfolio, die in den am stärksten verschmutzenden Sektoren tätig sind. So ist zum Beispiel zu lesen, dass sie sich langfristig aus der Öl- und Gasindustrie zurückziehen wollen.
ProCredit hatte nie ein wesentliches Engagement im Öl- und Gassektor. Wir haben es mit einer anderen Art von Herausforderung zu tun: wir arbeiten hauptsächlich mit Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen (KKMU). KKMU haben in der Regel nicht die Ressourcen und den regulatorischen Druck, um dieses Problem wirklich konsequent anzugehen, wie beispielsweise große Unternehmen.
Die Dekarbonisierung des KKMU-Sektors ist sehr arbeitsintensiv und erfordert, dass wir uns in den nächsten 15 Jahren mit 25.000 bis 30.000 Kund*innen auseinandersetzen. Nach der Bewertung ihres CO2-Fußabdrucks wollen wir sie auf dem Weg zum Netto-Null-Standard begleiten. Hier liegen große Chancen für uns als Bank, für die Kund*innen und letztlich für einen Beitrag zum Wohlergehen der Erde.
Grüne Investitionen sind gut für die Umwelt und die finanzielle Leistungsfähigkeit unserer Kund*innen, aber sie brauchen Kapital und Know-how. Wir sind entschlossen, diese Herausforderung anzunehmen. Unsere Zukunft hängt davon ab.